Bücherverbrennung – Gedenkveranstaltung
Warum überhaupt Erinnerungskultur? Um aus der Geschichte zu lernen und sich immer wieder zu gegenwärtigen, welch hohes Gut es ist, in einer Demokratie zu leben! Vielfalt, Meinungsfreiheit und Frieden sind keine Selbstverständlichkeit, wie wir gerade erneut schmerzhaft erfahren müssen. Es gilt unsere Demokratie zu schützen, um eine lebenswerte Zukunft für uns und die kommenden Generationen zu sichern.
Mehr als 60 Personen hatten sich am frühen Abend des 10. Mai 2022 im Heckengarten im Hammer Park eingefunden, um sich gemeinsam mit der Literaturgruppe der 'Omas gegen Rechts', der Initiative 'Hamm'se Zivilcourage' und den Bücherhallen Hamburg an die Bücherverbrennungen vor 89 Jahren zu erinnern.
Neben beeindruckenden Lesungen aus den Büchern der "verbrannten Dichter*innen", darunter Texte von Irmgard Keun, Bertha von Suttner und Erich Kästner, gab Frauke Untiedt, Direktorin der Bücherhallen Hamburg, einen Überblick über das Thema Meinungsvielfalt bei den Bücherhallen heute. Dazu präsentierte sie Auszüge aus dem Leibild der Stiftung, das auch bei der Medienauswahl eine wichtige Grundlage darstellt. Musikalisch begleitet wurden die Beiträge von einem wunderbaren Saxophonspieler.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Bibliothekarin Hedda Guradze, die von 1930 bis 1937 in der Bücherhalle Mönckebergstraße gearbeitet hat. Sabine von Eitzen, Leitung der Bücherhalle Wilhelmsburg, erinnerte mit einem bewegenden Vortrag an die ehemalige Kollegin.
Hedda Guradze wurde 1904 geboren und stammte aus einem assimilierten jüdischen Elternhaus. 1923 begann sie ein Studium der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft in ihrer Geburtsstadt Kiel und gehörte damit, zu der ersten Generation von Frauen, die an deutschen Universitäten studieren durften. Sie war selbstbewusst, naturverbunden und vielseitig interessiert. Da es ihr aus finanziellen Gründen nicht möglich war ihr Studium abzuschließen, begann sie eine Ausbildung als Diplombibliothekarin, die sie als Jahrgangsbeste abschloss. Ab 1930 arbeitete sie bei der Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen, in der Bücherhalle in der Mönckebergstraße.
Hedda Guradze liebte ihre Arbeit, die sie kenntnisreich ausübte, aber nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten veränderte sich das politische Klima in Hamburg. 1933 gab es die ersten Listen mit Büchern, die aus dem Bestand zu entfernen waren, da sie "dem neuen Willen der Nation abträglich sein könnten". Mit der Auswahl der Titel für diese Liste des "unerwünschten Schrifttums" beauftragte der damalige Direktor der Bücherhallen ausgerechnet die Bibliothekarin Hedda Guradze, die 1935 selbst aus dem Ausleihdienst genommen wurde, da sie den für die Arbeit erforderlichen Ariernachweis nicht erbringen konnte. 1937 musste sie die Bücherhallen endgültig verlassen.
Ihre Entlassung, die finanzielle Unsicherheit, die fortschreitende Diskriminierung von Menschen jüdischer Herkunft und das Verbot als Jüdin den Mann, den sie liebte zu heiraten, führten zu einem Zusammenbruch und einer Depression von der sie sich nie mehr vollständig erholte. 1939 gelang ihr die Flucht nach Amerika, wo eine Freundin lebte, aber ihr Gesundheitszustand führte immer wieder zu Aufenthalten in der Psychiatrie. Nachdem ihre Anträge auf Anerkennung der amerikanischen Staatsbürgerschaft zweimal abgelehnt wurden und sie erfahren hatte, dass ihre Mutter deportiert und ihre Schwester ins Arbeitslager gebracht worden waren, verlor sie jeden Lebensmut. Im Juni 1945 setzte sie ihrem Leben selbst ein Ende.
Zur Erinnerung an Hedda Guradze soll in diesem Jahr ein Stolperstein vor der ehemaligen Bücherhalle am Mönckebergbrunnen verlegt werden, mit der Inschrift "Flucht in den Tod".
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