Kampf um Amazonien – Das Justizschiff

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Inhalt: Seit 13 Jahren reist Richterin Sueli Pini mit einem Justizschiff aller zwei Monate aus der Provinzhauptstadt Macapá zu den entlegenen Dörfern am Amazonas-Delta. Arne Birkenstock (u.a. Deutscher Filmpreis für "Chandani und ihr Elefant") und sein Kamerateam haben eine ihrer Reisen begleitet. Der brasilianische Staat weiß bis heute nicht genau, wie viele Menschen überhaupt am Amazonas leben. Viele haben weder Pass noch Geburtsurkunde und sind damit bei keiner staatlichen Stelle registriert. Sie leben in unzugänglichen Weilern und Dörfern, zu denen keine Straße führt. Diese Menschen sind unsichtbar, sie haben keinen Zugang zu Sozialleistungen, zum Gesundheitssystem oder zur Justiz. Es ist, als würden sie gar nicht existieren. „Diese Menschen wurden über viele Jahre vom brasilianischen Staat ignoriert und schlicht vergessen“, sagt Richterin Sueli Pini. Mit ihrem Justizschiff bringt sie ein ganzes Bündel staatlicher Dienstleistungen zu der Bevölkerung am nördlichen Amazonas. Der Dampfer beherbergt ein Gericht mit Staatsanwalt, Gerichtsvollziehern und Pflichtverteidigern, ein Ärzteteam mit Zahnarzt, Ärztin und Krankenschwestern und ein Passamt mit Beamten und Ausweisformularen. 54 Personen umfasst die Behördencrew, die sechs Mal im Jahr den Alltag ihrer Amtsstuben mit dem Leben an Bord eines Amazonasdampfers tauscht. Genächtigt wird in Hängematten und jeden Morgen wird der Schlafsaal im Zwischendeck in einen Gerichtssaal verwandelt. Der Dampfer füllt sich dann schnell mit Menschen aus der Region, die mit ihren kleinen Fischerbooten am Justizschiff anlegen. Verhandelt werden neben Grundstücksstreitigkeiten vor allem familienrechtliche Angelegenheiten und kleinere Gewaltverbrechen. Außerdem berät die Crew die Menschen vor Ort bei Behördengängen jeder Art und hilft bei der Formulierung von Anträgen auf Familiengeld, Rente oder Gesundheitsleistungen. Doña Enriqueta verklagt den Nachbarn von gegenüber, der seine Büffel jeden Morgen durch den Fluss treibt und auf ihrem Grundstück grasen lässt. Die frisch geschiedene, siebenfache Mutter Rosinalda muss vor ihrem gewalttätigen Ex-Ehemann geschützt werden. Und der nur 17jährige Schrotflintenschütze Roberto soll wieder zurück auf den Pfad der Tugend gebracht werden. Es geht um streitende Schülerinnen und um den Unterhalt für außereheliche Kinder, um nie vermessene Grundstücksgrenzen und um einen Eimer, mit dem ein erzürnter Fischer einen anderen geschlagen haben soll. Mittendrin ist Richterin Sueli Pini, die immer wieder versucht, einen Kompromiss oder Vergleich zwischen Täter und Opfer, zwischen Kläger und Beklagten zu vermitteln. Mit Engelszungen redet sie auf die Beteiligten ein, ringt um Entschuldigung und Entschädigung und verpflichtet alle minderjährigen Delinquenten zur Wiederaufnahme des Schulbesuchs. Mit an Bord ist auch ein medizinisches Team, das Wurmkuren verschreibt und längst verfaulte Zähne zieht. Das Pass-Amt des Schiffes stellt Ausweise und Geburtsurkunden aus und verhilft vielen Bewohnern des Amazonas-Deltas überhaupt erst zur Existenz im Sinne des brasilianischen Staates. Richterin Sueli Pini führt die Reisen durch, obwohl sie selbst alleinerziehende Mutter von sieben Kindern ist. Und jede ihrer Reisen ist auch ein Kampf mit ihren Kollegen zu Hause: „Noch größer als die geographische Distanz sind die kulturellen Entfernungen, die wir zu überbrücken haben. Die meisten meiner Kollegen und Vorgesetzten waren noch niemals hier, deshalb können sie nicht wertschätzen, wie wichtig unsere Reisen für die Menschen vor Ort und für den brasilianischen Staat sind.“ Bislang konnte sie sich durchsetzen. Ihr Justizschiff wird weiter die „Vergessenen“ am Amazonas aufsuchen, um aus ihnen Bürger des brasilianischen Staates zu machen, die die ihnen zustehenden staatlichen Dienstleistungen auch nutzen können.