Moderne Ruinen

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Inhalt: Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit). Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt. Der Fachbegriff ist hierfür „Creative Destruction“ oder zu deutsch „Schöpferische Zerstörung“ und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann. Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer „Creative Destruction“ von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen. MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur. Es ist ein Ort der Superlative. Hundert Jahre lang wurde auf der Zeche Lohberg Kohle gefördert. Über 1200 m tief gingen hier die Schächte, Ende der 50er Jahre fuhren über 5000 Männer ein. 2005 wurde die Zeche Lohberg endgültig stillgelegt, die letzten 1400 Kumpel auf andere Bergwerke verteilt oder in den Ruhestand geschickt. Und jetzt? Ein riesiges Areal wartet auf seine neue Bestimmung, ein 70 m hoher Förderturm ragt über eine eigene Stadt aus alten Hallen und Maschinenparks, die nun keine Verwendung mehr haben: Ein gespenstischer Ort mit beängstigenden Dimensionen. Die Natur kehrt zurück und überwuchert die Fläche, große Teile des Areals werden abgerissen und sind für Neubauten vorgesehen. Andere finden neue Verwendung. Zum Beispiel ein Kiosk an der Außenmauer, über den hier jeder eine Geschichte kennt. Vor oder nach der Schicht wurde hier schnell noch was gekauft, manches Mal wurde heimlich ein Korb über die Zechenmauer abgeseilt, um doch an das bei der Maloche verbotene Bier zu kommen. Heute betreibt Britta LQL den kleinen Kiosk als Kunstgalerie. Wer vorbeikommt, den erwarten Wechselausstellungen verschiedener Künstler. Der alte Zigarettenautomat wird regelmäßig aufgefüllt, wer ein paar Euro hineinwirft erhält eine kleine Skulptur, ein Miniaturgemälde oder ein anderes Unikat, das extra für diesen Automaten hergestellt wurde. Andere Künstler haben in Teilen des ehemaligen Verwaltungsgebäudes Atelierräume gefunden, Kreativquartier heißt das jetzt hier. Auch der Bergmannschor Concordia hat die Stilllegung der Zeche überlebt und weiterhin kommen an die 50 Männer zusammen und proben jede Woche. Bei ihren Auftritten tragen sie stolz ihre Bergmannsuniform. Jeder Sänger hat unter Tage geschuftet, das Bergwerk ist Heimat und Lebensmittelpunkt wie bei den Meisten in diesem Stadtteil. Jetzt beginnt die Neuorientierung. Aber der denkmalgeschützte Förderturm ist im Unterhalt zu teuer, als dass die ehemaligen Besitzer ihn behalten wollen oder die öffentliche Hand die Wartung übernehmen könnte. Es steht schlecht um das Wahrzeichen Lohbergs. Ein Förderverein versucht ihn zu retten, doch die Finanzierung ist ungewiss. Kommen werden viele Neubauten und auch der Versuch, die Menschen in diesem Stadtteil mitzunehmen bei der Umgestaltung. Nicht Inseln mit Prestigeprojekte, sondern kleine Gewerbeansiedlungen und Wohnraum soll hier entstehen. Lohberg will seine Einwohner nicht vertreiben, sondern vor allem neue dazu gewinnen. In Büros und kleinen Betrieben sollen Arbeitsplätze entstehen. Aber das Bergwerk hinterlässt nicht nur überirdisch seine Spuren. Unter den alten Ruinen liegt ein Gewirr aus Tunneln und Schächten: Jetzt laufen sie nach und nach mit Wasser voll und werden mit Pumpen reguliert, damit die neuen Gebäude durch das Absinken und Anheben des Erdreichs nicht beschädigt werden, wie es so vielen der alten Bauten widerfuhr. Lohberg hat zwei Weltkriege, wechselnde Besitzer und immer neue Zuwanderer erlebt, die hier ihr Glück suchten. Jetzt ist es für immer stillgelegt und auf der Suche nach einer vollkommen neuen Verwendung. Kleine Initiativen und Projekte begleiten die Umwandlung, doch Geldmangel wird viele nicht lange überleben lassen. Der Kunstkiosk von Britta LQL hat es fürs erste geschafft. Mit etwas Unterstützung von der Stadt wird sie ihn auch im nächsten Jahr betreiben können.