Feuchtgebiete

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Inhalt: Von "gottlos" über "mutlos" bis zu "nervig" reichten die Kritiken für die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Charlotte Roche, als sie im Sommer 2013 in die Kinos kam. Dabei ist der Film bis heute in erster Linie eines: souverän umgesetzt! Im Mittelpunkt steht die 18-jährige Helen, für die "körperliche Hygiene" ein Fremdwort ist und die vor allem in sexueller Hinsicht keine Tabus zu kennen scheint. Aber so aufgeklärt und offenherzig sie ist, so sensibel und mädchenhaft wirkt sie in anderen Belangen. So träumt sie davon, dass ihre geschiedenen Eltern endlich wieder zusammenkommen und die Familie wieder so harmonisch wird wie früher. Leider denken ihr Vater und ihre Mutter gar nicht daran, einen Neustart zu versuchen. Als Helen sich bei einer Intimrasur heftig verletzt, muss sie ins Krankenhaus, und auch dort sorgt sie mit ihrer unkonventionellen und freigeistigen Art für Wirbel. Vor allem der Krankenpfleger Robin weckt ihre Interesse – und ihre Fantasien. Zugleich sieht sie in ihrem Krankenhausaufenthalt die Chance, ihre Eltern doch noch miteinander zu versöhnen. Helen versucht, ihre Entlassung so lang wie möglich hinauszuzögern. Der Roman von Charlotte Roche wurde von Anfang an skandalisiert - wozu die Autorin und TV-Erprobte selbst viel beitrug: Es war und ist ihr ein starkes Anliegen, zu provozieren. "Eigentlich ist es ja schön", schrieb Ruth Schneeberger anlässlich des Kinostarts der Verfilmung, "wenn heutzutage Literatur, die auch noch das Massenpublikum anspricht, so stark im Fokus der Öffentlichkeit steht, dass eine halbe Gesellschaft monatelang darüber diskutiert. Allerdings fühlte sich ein Teil dieser Gesellschaft aus unterschiedlichen Gründen so vehement in ihren Grundfesten angegriffen, dass die Debatte dem Buch nicht gerecht wurde. Es ist eben nicht so, dass 'Feuchtgebiete' das billige Machwerk einer oberflächlichen und öffentlichkeitsgeilen TV-Tussi ist, die mit möglichst viel Sex und Ekel über ein Massenpublikum Geld scheffeln will, wie es teilweise sogar aus den seriösesten Stuben des Feuilleton zu vernehmen war. Wer das Buch wirklich und ernsthaft gelesen hat, kommt nicht umhin, zu attestieren, dass es zwar keine Hochliteratur, aber sowohl vom sozialpolitisch-feministischen Standpunkt aus interessant als auch recht unterhaltsam und manchmal sogar schreiend komisch ist. (...) Im Film gelingt die Darstellung des prallen Lebens in all seinen dubiosen Facetten vor allem den Nebendarstellern hervorragend. Meret Becker als hilf- und orientierungslose Bad Mom und Axel Milberg als genauso hilflos-selbstsüchtiger abwesender Vater, die ihr Leben zwar irgendwie meistern, das aber zum Teil auf Kosten der Tochter, leisten Großes, um zum Verständnis der Geschichte beizutragen. Denn der Zuschauer kann ihnen genauso wenig dauerhaft böse sein wie die Heldin selbst: Sie sind eben unfähig, da ist kein böser Wille. Und dann die Hauptdarstellerin: Carla Juri gelingt es hervorragend, den von der Kritik grandios als "pseudobekifften Kleinmädchenton" identifizierten Singsang von Charlotte Roche nachzuahmen. Zusammen mit ihrem Schweizer Slang klingt das recht lustig - und genau das soll es auch sein. Denn eines ist in diesem Zusammenhang nie zu vergessen. So tragisch die Geschichte vom Erwachsenwerden für manch Einzelnen und für Charlotte Roche im Besonderen sein mag; die große Stärke der Autorin ist es, die in der Tat sehr traurigen Familienereignisse in eine urkomische Geschichte zu verpacken. Und genau das kitzeln sowohl der Regisseur als auch die Hauptdarstellerin des Films angemessen heraus." (Süddeutsche Zeitung, 22. August 2013)