Inhalt: Der Albumtitel No Boundaries ist treffend gewählt, denn Eva Cassidy kannte in ihrem Künstlerleben keine Grenzen und keine Berührungsängste. Die Sängerin, die 1996 im Alter von gerade mal 33 Jahren an Hautkrebs verstarb, war stilistisch völlig offen, sie hatte von Folk und Country bis Gospel und Jazz alles drauf. Und in der Soul- bzw. R&B-Rubrik machte sie ebenfalls eine richtig gute Figur -- wie diese Platte zeigt. Sie begeistert hier mit einem mal einschmeichelnd-zarten, mal kraftvoll-zupackenden Gesang und wird dabei ihrem Ausnahmetalent vollauf gerecht. Das ist aber auch schon das einzig Positive, was sich über diese ansonsten bitter enttäuschende posthume Veröffentlichung sagen lässt. Die allenfalls zweitklassigen Aufnahmen kranken an ideenlosen Kompositionen, platten Lyrics und Synthesizer-Sounds aus der Retorte, die im krassen Gegensatz zu Cassidys natürlicher Stimme stehen. Tony Taylor und David Christopher, die für das Songwriting und die Produktion verantwortlich zeichnen, haben die begnadete Vokalistin in ein Korsett lebloser Maschinenklänge gezwängt. Umso erstaunlicher, dass der Gesang der Amerikanerin selbst in diesem beengenden Zusammenhang, in dieser computergefertigten Einfallslosigkeit noch so stark wirkt. Wunderbare Vocals! Vermutlich hätten diese Studioeinspielungen ewig unbemerkt im Schallarchiv geschlummert, wäre die blauäugige Blondine aus Bowie in Maryland nicht nach ihrem Tode plötzlich zu weltweitem Starruhm gekommen. Ob man ihrem Ansehen mit der nachträglichen Herausgabe einen Gefallen tut, darf indes bezweifelt werden. Dieses Album hier kann man jedenfalls nur hartgesottenen Fans zur Vervollständigung ihrer Sammlung empfehlen. Alle anderen sollten lieber bei Meisterwerken wie Songbird, Live At The Blues Alley oder auch Time After Time bleiben. Da kann man Eva im passenden Klangkontext ungetrübt genießen. (Harald Kepler)